Sonntag, 21. Februar 2016

Aufbruch und Nachtwache ...

... hieß eine Veranstaltung, die ich zusammen mit Freunden am 20.2. in Köln Lindenthal besucht habe. Der Untertitel lautete "Text und Klänge zum Winterausgang, mit Gerd Pohl". Zwei Abende, an denen Gerd Pohl Texte von diversen Autoren gelesen hat, habe ich im vergangenen Jahr schon besucht und war jedes mal begeistert. An diesem Abend sollten die Texte nun mit verschiedenen Klanginstrumenten untermalt oder ergänzt werden. Ich konnte mir nicht wirklich vorstellen, wie er das machen wollte. Denn ein einzelner Mensch kann entweder lesen oder Instrumente spielen, aber beides doch eher nicht, oder? So war ich also sehr gespannt, was mich erwartete.

Der Raum war die Dietrich-Bonhöfer-Kirche. Kirchen haben immer eine besondere Akustik. So fanden wir bei der Ankuft die Instrumente vor dem Altar aufgebaut. So viele und so große Klanginstrumente hatte ich nicht erwartet. Am liebsten hätte ich gleich alle ausprobiert, aber außer einem zaghaften Klopfen mit den Fingerknöcheln wurde mich nichts erlaubt.



Da waren 13 kleine Gongs. Gerd erzählte mir, dass sie auf die komplette C-Dur-Tonleiter mit Zwischentönen gestimmt seien, was sehr ungewöhnlich sei. Gongs würden normalerweise nicht gestimmt.


Daneben drei große Gongs, die sich im Laufe des Abends als sehr stimmgewaltig erweisen sollten, fast bis an meine Ohrenbelastungsgrenze aber nur fast.


Auf diesem schwarzen Tisch eine Oceandrum, die uns später Gänsehaut machen würde.  Links daneben ein Plattenglockenspiel, und über der Oceandrum ein Chloritschieferspiel. Man ahnt nicht, welche wunderbaren Töne in Steinen stecken können.


Diese Kupferröhren kann man mit einem Klöppel anschlagen oder um die Röhren herum streichen. Beides macht völlig andere Schwingungen und Töne.


Unser heimlicher Favorit war aber dieses Quarzglasspiel, dessen Röhren man mit feuchten Fingern streichen muss. Es bezaubert mit sphärischen Klängen.


Es gab noch eine Harfe aus Metallröhren, die man wiederum mit trockenen und mit Kolophonium gepuderten Fingern streichen musste, um ihm Töne zu entlocken. Das Foto ist leider nichts geworden.

Die Metallharfe und die Instrumente auf den Tischen - außer der Oceandrum - hat Gerd bei dem Klangkünstler Jochen Fassbender erworben, dessen Webpräsenz ich mir im Nachhinein angeschaut habe. Er bietet Kurse an. Wer Interesse hat, sollte sich dort informieren.

Wie ging das denn nun, dass der Vortragskünstler gleichzeitig Klänge zaubert? Auch wenn Gerd - wie er selbst sagte - eine gespaltene Persönlichkeit ist, konnte er nur entweder das eine oder das andere tun. Sein Ziel war - ab hier zitiere ich ihn -  "die Texte klanglich aufzugreifen und zu vertiefen, quasi "akustisch zu illustrieren". Ich lege vorher genau fest, an welcher Stelle ich welche Instrumente einsetze, aber WAS genau ich dann spiele, ist ganz und gar intuitiv und improvisiert. Das heißt, dass sich der gestrige Abend niemals wiederholen lassen wird - und genau darin besteht meiner Meinung nach der besondere Reiz." Das ist ihm gelungen.

Zwei der gelesenen Texte kannte ich schon von der Lesung "Wintermärchen" im November 2015 bei uns im Bergischen Löwen:

  • Weihnachten am Fichtenhof, ein Text von Gerd Pohl
  • Segne mich, Vater! von Ray Bradbury

Neu waren für mich die kleinen Lyriktexte von Reimund Senge, einem Priester und Mönch der Abtei Himmerod in der Eifel.

Der Höhepunkt war aber ein Text von Edgar Allan Poe mit dem Titel "Schweigen".  Ein schwieriger Text, dessen Sinn sich beim ersten Hören nicht erschließt. Aber er ist sehr emotional, steigert sich und wirkt zunehmend bedrohlich. Der Text zusammen mit den Instrumenten, die alle entsprechend der Stimmung zum Einsatz kamen und mit den großen Gongs auf einen infernalischen Höhepunkt zusteuerten, machte wirklich Gänsehaut.

Gerd Pohl liest

Ich schließe meistens bei Gerds Vorträgen die Augen und konzentriere mich auf den Text und auf seine Stimme. Diesmal habe ich allerdings immer wieder mal gespinkst, wie er gerade welches Instrument bearbeitete. Die 90 Minuten waren ein einziges Hörvergnügen. 90 Minuten zuhören, ohne Pause, das strengt nicht nur den Künstler an, sondern auch die Zuhörer.

Am Ende durfte ich dann doch noch mit den verschiedenen Klöppeln die Instrumente anschlagen.  Faszinierend!

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